Skandal: Die Schweiz verschweigt ihren Bürgern, dass Elektroautos mit Abstand umweltfreundlicher sind als Benziner

Eine Studie und ihr leiser Abgang

Die Auseinandersetzung um Elektroautos hat in der Schweiz eine neue Dimension erhalten. Eine vom Bundesamt für Energie (BFE) in Auftrag gegebene Untersuchung belegt klar, dass Elektrofahrzeuge über den gesamten Lebenszyklus deutlich klimafreundlicher sind als Benziner – und wurde dennoch zurückgehalten. Diese Episode wirft ein grelles Licht auf Selbstzensur und auf die Frage, wie offen staatliche Stellen mit Wissen umgehen, das politisch unbequem erscheinen könnte.

Im Jahr 2022 beauftragte das BFE die Beratungsfirma Infras mit einer großen Studie. Ziel war es, die meistgestellte Frage der Mobilitätswende empirisch zu klären: Unter welchen Bedingungen lohnt sich der Ersatz eines Verbrenners durch ein Elektroauto aus Klimasicht? Rund 100.000 Franken flossen in das Projekt, um Konsumentinnen und Konsumenten verlässliche Orientierung zu bieten.

Klare Resultate, deutliche Mehrwerte

Als die Ergebnisse im Herbst 2024 vorlagen, waren sie eindeutig. In mehr als 90 Prozent der Fälle reduziert der sofortige Ersatz eines ähnlich großen Verbrenners durch ein Elektroauto die CO₂-Emissionen über die gesamte Nutzungsdauer. Nur Fahrzeuge, die praktisch nie bewegt werden, sind eine seltene Ausnahme.

Diese Resultate passen zu bestehender Forschung. Dank des sehr sauberen Schweizer Strommixes, der zu rund 75 Prozent aus erneuerbaren Energien besteht, schneiden E‑Autos im Lebenszyklusvergleich deutlich besser ab. Laut Paul Scherrer Institut ist ein Elektroauto nach rund 30.000 Kilometern bereits klimafreundlicher als ein vergleichbarer Verbrenner.

Wesentliche Kernaussagen der Studie lassen sich so zusammenfassen:

  • Elektroautos verursachen über den Lebenszyklus deutlich weniger CO₂ als Benziner.
  • Der Vorteil ist in der Schweiz wegen des sauberen Strommixes besonders groß.
  • Der Wechsel lohnt sich auch bei Ersatz während der Nutzungszeit bestehender Fahrzeuge.
  • Nur kaum genutzte Autos bilden eine Ausnahme mit geringer Wirkung.
  • Transparente Information hilft, Konsumentscheide an Klimazielen zu orientieren.

Warum wurde nicht publiziert?

Trotz der günstigen Befunde entschied das BFE, den Bericht nicht breit zu veröffentlichen. Erst dank Recherchen der Republik und des Kollektivs WAV, die das Dokument über ein Transparenzgesuch erhielten, kam die Episode ans Licht. Interne Kommunikationsprotokolle zeigen Angst vor politischer Kritik und medialer Verkürzung. Der Bericht sei „potenziell sensibel“, seine Botschaften könnten „missinterpretiert“ werden, hieß es in internen Mails.

Noch deutlicher wird die Sorge, die Verwaltung könne der „Umerziehung“ bezichtigt werden – ein Narrativ, das Teile der populistischen Rechten bedienen. Eine Kommunikationsverantwortliche sprach sogar von „bloß akademischen“ Erkenntnissen, die am Alltag vorbeigingen. Doch genau hier offenbart sich ein Widerspruch: Das BFE soll evidenzbasiert informieren, damit politische Ziele realistisch erreicht werden.

„Wenn eine Studie mit Steuergeld finanziert wird, müssen die Resultate öffentlich sein – alles andere schadet der Demokratie“, lautet die Mahnung, die aus der Politik besonders deutlich zu hören war.

Folgen für Transparenz und Klimapolitik

Die Schweiz hat sich ambitionierte Elektrifizierungsziele gesetzt: Bis 2025 sollen 50 Prozent der Neuzulassungen elektrisch sein. Der aktuelle Anteil liegt bei rund 30 Prozent, die Lücke ist beträchtlich. Gerade deshalb sind klare Fakten zentral, um Vorbehalte abzubauen und Investitionen in Ladeinfrastruktur, Netze und Beratung zu beschleunigen.

Die Nichtveröffentlichung sendet ein falsches Signal. Sie schwächt das Vertrauen in Institutionen und nimmt der öffentlichen Debatte die empirische Grundlage. Wo Wissenschaft robust ist, sollten Behörden proaktiv kommunizieren, statt sich aus Angst vor Gegenwind wegzuducken. Denn die Kosten der Verzögerung tragen am Ende alle – in Form höherer Emissionen und verpasster Innovationschancen.

Was Verbraucher jetzt wirklich wissen

Für den individuellen Fahrzeugwechsel zählt vor allem die Gesamtbilanz. Wer ein konventionelles Auto durch ein E‑Auto gleicher Größe ersetzt, reduziert in der Schweiz mit hoher Wahrscheinlichkeit den eigenen CO₂‑Fußabdruck. Der ökologische „Rucksack“ der Batterie wird im Laufe der Nutzung rasch amortisiert, insbesondere bei regelmäßigem Fahren und Strom aus möglichst erneuerbaren Quellen.

Zudem sind die Sukzessivvorteile real: Jede weitere Kilowattstunde aus Photovoltaik und Wasserkraft verbessert die laufende Bilanz elektrischer Mobilität. Gleichzeitig erzeugt der Betrieb von Verbrennern durch fossile Treibstoffe fortwährend Emissionen, die sich nicht mehr aufholen lassen. Wer heute wechselt, profitiert von sinkenden Betriebskosten, wachsender Ladeinfrastruktur und einer Technologie, die Jahr für Jahr effizienter wird.

Am Ende bleibt eine Lehre aus dieser Affäre: Transparenz ist keine Option, sondern eine demokratische Pflicht. Gerade bei der Klimapolitik müssen Behörden Fakten sprechen lassen und Vertrauen durch Offenheit aufbauen. Die vorliegenden Daten zeigen, dass Elektroautos in der Schweiz dem Klima helfen – jetzt braucht es den Mut, diese Wahrheit auch breit zu teilen.

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